Digitale Transformation: Es braucht Fachkompetenz in den Topgremien!

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“Die Entscheider wussten nicht, wovon wir sprachen und die, welche die Materie verstanden, durften nicht entscheiden”

 

Als Entrepreneur mit Jahrgang 1969 war ich am Anfang meines Berufslebens  noch mit Telex und Olivetti-Schreibmaschinen konfrontiert, die gerade mal 2 A4-Seiten abspeichern konnten. Danach kamen die ersten (sehr teuren und dummen) Computer dazu und auch der Telex wurde Ende 80er-Jahre durch die geniale Erfindung des Telefaxes ersetzt. Irgendwann im 1994 hatte ich dann bei einem der ersten Schweizer Provider an der Hohlstrasse in Zürich mein Erleuchtungserlebnis als ich mit einem Netscape-Browser erstmals ins Internet einloggte.

Von da an war ich angefixt, habe mit überschaubarem Erfolg die ersten Homepages programmiert und bald gemerkt, dass mein Talent nicht in der Programmierung und Grafik, sondern im geschäftlichen Teil des Internets liegt. Nach einigen Anläufen gründete ich zusammen mit Partnern dann im Jahr 2000 das Online-Reisebüro travel.ch, mit dem wir mitgeholfen haben, den Reisemarkt in der Schweiz zu digitalisieren. Damals gab es heftige Widerstände in der Reisebranche, resp. man hat teilweise gar nicht verstanden, was wir vorhatten. Unsere Zusammenarbeits-Anfragen bei grossen Reiseveranstaltern wurden von der IT ins Marketing und via Geschäftsleitung wieder zurück in die IT befördert.  Die Entscheider wussten nicht, wovon wir sprachen und die, welche die Materie verstanden, durften nicht entscheiden.

Anfang der 2000er-Jahre entstanden dann bei allen grossen Reisefirmen “E-Business-Abteilungen”, die abteilungsübergreifend das Thema Internet abhandeln sollten – dies aber mit der stillschweigenden Auflage, dem traditionellen Business nicht zu fest in die Quere zu kommen. Disruption fand in der Regel nicht statt und so ist es auch kein Zufall, dass die meisten erfolgreichen E-Travel-Firmen (Priceline, Tripadvisor, Getyourguide) von Branchen-Outsidern gegründet wurden – das klassische “Innovators Dilemma“. In anderen Branchen, wie Musik oder Printmedien war es noch schlimmer, auch dort wurden Weltfirmen von der digitalen Revolution auf dem linken Fuss erwischt und haben es nicht verstanden, sich auf die neuen Geschäftsmodelle auszurichten. Im momentanen “Fintech-Hype” merken nun auch die grossen Finanz- und Versicherungshäuser, dass es digitale Geschäftsmodelle gibt und man sich radikal verändern muss, um nicht auf der Strecke zu bleiben.

Heute wie damals ist augenfällig, dass kaum ein CEO oder Verwaltungsrat über ausreichend digitale Erfahrung verfügt. Wenn man sich die Führungsgremien von grossen Schweizer Firmen anschaut, so wimmelt es dort immer noch von Finanzern und Juristen, aber Online-Kompetenz ist kaum auszumachen. Hängt dies damit zusammen, dass die falsche Altersklasse an den Machthebeln sitzt und deshalb die Wichtigkeit der digitalen Erfahrung unterschätzt wird? Oder klammert man sich – am Gipfel der Macht angekommen – an seinem gut dotierten Posten und hat niemandem, der einem sagt, dass man für gewisse Themen nicht qualifiziert ist? Auf jeden Fall gibt es kaum digitale Experten in Geschäftsleitungen oder Verwaltungsräten von SMI-Firmen.

Zum Ausgleich spriessen jetzt bei vielen Corporates “Future Labs” aus dem Boden und es wird die Nähe zu Startups gesucht, die dem Konzern zeigen sollen, wie Innovation und Transformation funktionieren. Bei manchen Grossfirmen wird ein CDO (Chief Digital Officer) eingestellt, der die Firma auf digital trimmen soll. Allerdings verfügt ein solcher CDO in der Regel über eine beschränkte Macht in der Firma und es fehlen ihm die digitalen Ansprechpartner in Geschäftsleitung und Verwaltungsrat. Dementsprechend ist das Risiko gross, dass der CDO bei der “digitalen Transformation” (was für ein cooles Buzzword!) scheitern wird – immerhin hat man dann schon einen Sündenbock.

Wie lange wird es noch dauern, bis “digitale Kompetenz” zwingend bei der Besetzung eines Verwaltungsrates vorausgesetzt wird? Nur so haben Grossunternehmen eine kleine Chance, dass der längst fällige Schritt ins digitale Zeitalter noch bewerkstelligt werden kann.

Startup-Steuern: Erfolg oder Mogelpackung?

Wendung im Startup-Steuer-Drama? Tatsächlich publizierte die Zürcher Finanzdirektion heute in einer Mitteilung die auf den ersten Blick frohe Kunde, dass sie attraktivere Regeln für die Besteuerung von Startups einführe.

Initial war ich positiv überrascht. Wow, eine Regierung, die zuhört und pragmatisch zur Korrektur schreitet, wenn die Verwaltung überbordet und über Nacht eine Praxisänderung einführt. Das ist meine Schweiz, so wie ich sie kenne und liebe – dachte ich…

Bei der genaueren Betrachtung der offiziellen Zürcher Regierungskommunikation verfliegt die Freude dann aber rasch:

Das Steueramt will tatsächlich nach wie vor die Preise, die in Kapitalrunden bezahlt wurden als Basis für die Steuer-Bewertung eines Unternehmens heranziehen. Man hat noch nicht begriffen, dass diese Methodik dafür einfach nicht taugt, da eine Venture-Bewertung viele weitere Punkte beinhaltet. Als kleines Goodie wird diese Methode allerdings erst nach 3, resp. 5 Jahren angewandt. Zudem gibt man den Biotech und Medtech-Startups noch zwei Jahre mehr Zeit bevor virtuelles Vermögen besteuert wird.

Es gilt festzuhalten, dass die dreijährige Ausnahmefrist in der Praxis genau nichts bringen wird. Meist kriegt ein Startup erst im Jahr 3-6 relevante Geldmittel, die in der Regel innerhalb von 18 Monaten “verbrannt” werden um das Unternehmen möglichst rasch voranzubringen. Meist ist das Geld dann auch einfach weg – die hohe Steuerbewertung bleibt und auf dieser Basis zahlt der Startup-Aktionär dann brav jahrelang Vermögenssteuern auf virtuellem Vermögen. Wird man zukünftig erleben, dass Startups “Downrounds” inszenieren, damit die Steuerbewertung sinkt?

Die Finanzdirektion behauptet desweitern in Bezug auf die Zürcher Bewertungspraxis: “Die Behörden sind damit einer landesweit gültigen Wegleitung der Schweizerischen Steuerkonferenz gefolgt.” Mit Verlaub lieber Herr Stocker, das stimmt so nicht! Die Wegleitung der Steuerkonferenz ist sehr unpräzise und lässt den Kantonen einen grossen Interpretationsspielraum offen – so hat der Zürcher Regierungsrat kürzlich selber in einer Stellungnahme zur Anfrage Hofmann im Kantonsrat (Antwort RR 269/2015 Vertreibt der Kanton Zürich Startups?) festgestellt, dass diese Wegleitung nur in der Hälfte der Kantone angewandt wird. So wahnsinnig verbindlich kann das also nicht sein!

Fazit:
Nach der initialen Freude bleibt festzuhalten, dass die getroffene Regelung nichts anderes als eine Mogelpackung ist, bei der die Finanzdirektion versucht, das Gesicht zu wahren und gegenüber der Oeffentlichkeit und Startups gut dazustehen. Die effektiven Probleme, die mit der irrsinnigen Praxisänderung kreiert wurden bleiben zu grossen Teilen bestehen und es ist nach wie vor nicht einzusehen, warum man nicht einfach zur alten, bewährten, bis 2013 angewandten Bewertungspraxis zurückkehren kann.