Startup-Steuer: Zürich steht alleine da

IMG_8002Viel wurde in den letzten Monaten über das Thema Startup-Steuer geschrieben und das Thema wurde ausführlich diskutiert. Zeit für eine Bestandesaufnahme vor den grossen Sommerferien:

  1. Die Startups
    Gründer von Startups haben nebst 60h-Wochen eigentlich keine Zeit sich um die Steuer-Problematik zu kümmern. Dennoch ist das Thema zur Zeit in praktisch jedem Startup-Verwaltungsrat traktandiert und es werden Szenarien entwickelt, wie man dem drohenden Startup-Steuerwahnsinn im Kanton Zürich entfliehen kann. Viele Startups haben deshalb Pläne in der Schublade, spätestens im Q4/16 den Firmensitz zu verlegen. Andererseits höre ich von vielen jungen Startup-Gründern, dass sie von Anfang an gar nicht mehr in Zürich gründen wollen, sondern gedenken dies in anderen Kantonen oder gleich direkt im Ausland zu tun.

    Die Resultate der Venturelab-Studie, die besagt, dass 85% der Zürcher Startups einen Domizilwechsel ins Auge fassen ist deshalb nicht wirklich erstaunlich.Längst hat sich der Zürcher Startup-Steuer-Wahnsinn auch im Ausland herumgesprochen. Egal ob in Berlin, London, Stockholm oder Barcelona – schon mehrfach wurde ich mit Kopfschütteln auf das Thema angesprochen. Der Reputationsschaden für Zürich ist enorm.

  2. Die Verwaltung und Regierung in Zürich
    Zur Erinnerung: Das neue Steuerregime für Startups entsprang ja nicht einem politischen Prozess, sondern der Kreativität eines übereifrigen Chefbeamten im Kantonalzürcher Steueramt, der seit Jahren bestehende Gesetze und Kreisschreiben der Steuerkonferenz über Nacht anders interpretierte und Inhaber von Startup-Aktien willkürlich mit horrenden Vermögenssteuer-Einschätzungen “beglückte”. Erstaunlicherweise stützte auch die Chefin des Zürcher Steueramtes diese Interpretation obschon sie unlogisch und in einigen Bereichen sachlich falsch ist – zudem sehen den Sachverhalt viele andere Kantone diametral anders. Es ist erstaunlich, mit welcher Verbissenheit die Zürcher Steuerverwaltung ihre Sicht der Dinge verteidigt. So werden faule Kompromisse präsentiert und Medienkonferenzen einberufen, wo höchst fragwürdige Statistiken präsentiert werden.

    Die für dieses Thema zuständige Exekutive in Zürich besteht einerseits aus der Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (FDP) und dem Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP). Beide Regierungsräte sind erst knapp ein Jahr im Amt, Stocker wechselte im Sommer 2015 vom Volkswirtschaftsdepartement in die Finanzdirektion, Walker Späh wurde neu gewählt und erbte von Stocker das Wirtschaftsdepartement und repräsentiert sowas wie das Business-Development des Kantons.

    Die beiden zuständigen Regierungsräte sowie der Gesamtregierungsrat wissen um die Wichtigkeit von Startup-Firmen. Wenn es jedoch um das konkrete Steuerthema geht, verlässt er sich voll und ganz auf das Zürcher Steueramt, welches wiederum behauptet, dass man die neue Startup-Steuer so durchziehen müsse, weil es so verbindlich in einem Kreisschreiben der Steuerkonferenz stehe. Interessant nur, dass Zürich der einzig bekannte Kanton ist, der das so praktiziert.

    Fazit:
    In Zürich sind sowohl Verwaltung als auch Regierung politisch in einer Sackgasse, derweil die jungen, hoffnungsvollen Unternehmen Reissaus nehmen. Kluge Politik sieht anders aus. Zudem kann von einer Regierung erwartet werden, dass sie regiert und sich nicht von der Verwaltung ins Offside steuern lässt.

  3. Der Zürcher Kantonsrat (Legislative)
    Verdankenswerterweise haben sich einige Zürcher Kantonsparlamentarier der Problematik der Startup-Steuern angenommen und nebst vielen bilateralen Gesprächen auch parlamentarische Vorstösse lanciert. Eine Vorreiterin ist hier Judith Bellaiche der Grünliberalen, welche sich aktiv in diesem Thema engagiert hat und eine Motion eingereicht hat.

    Desweiteren haben Alex Gantner (FDP), Roger Liebi (SVP) und Jean-Philippe Pinto (CVP) ein dringliches Postulat zum Thema Startup-Steuern eingereicht, das ebenfalls die Rückkehr zur Praktiker-Methode fordert. Dieses dringende Postulat wurde letzte Woche ohne Gegenstimme (!!) vom Kantonsrat an den Regierungsrat überwiesen, der nun auf das Thema eintreten muss. Der Kantonsrat hat also die Dringlichkeit erkannt, allerdings mahlen politische Mühlen sehr langsam und es wird noch eine Weile dauern, bis vom parlamentarischen Weg Verbesserungen für die Startups erwartet werden dürfen. 

  4. Die anderen Kantone
    Der Sololauf der Zürcher Steuerverwaltung in Sachen Startup-Steuer sorgte in den letzten Monaten bei den Steuerämtern und Finanzdirektoren anderer Kantone für heftiges Stirnrunzeln. Mir ist kein einziger Kanton bekannt, der sich der “Zürcher Lösung” anschliesst und dies öffentlich kundtut. Auch ist mir kein einziges Startup mit Sitz ausserhalb Zürichs bekannt, welches über astronomische Steuer-Rechnungen klagt. Im Gegenteil haben sich die letzten Wochen einige  für Startups relevante Kantone klar öffentlich gegen das Zürcher Startup-Steuerregime ausgesprochen:

    Basel Stadt:
    Nach einer Interpellation von Dieter Werthemann (GLP) stellt Finanzdirektorin Eva Herzog in einer mündlichen Beantwortung anlässlich der Grossrats-Sitzung vom 8.6.2016 klar, dass….… Basel bei der Bewertung Startup-Aktien bei der Praktiker-Methode bleibt
    … VC-Runden nicht für die Bewertung hinzugezogen werden
    … man sich dem “Zürcher Modell” nicht anschliessen werde

    Dies ist im Detail im Audio-Protokoll der Grossratssitzung nachzuhören (Punkt 17/77)

    Waadt (Vaud):
    Auch im Kanton Waadt hat sich der Kanton nach einer parlamentarischen Anfrage ganz klar für die “Praktiker-Methode” ausgesprochen – hier nachzulesen.

    Fribourg:
    Auf die parlamentarische Anfrage von Grossrat Thomas Rauber (CVP) antwortet die Fribourger Regierung ebenfalls mit einer klaren Absage an das “Zürcher Modell”. Lesenswert an der Antwort ist insbesondere der Abschnitt, wo die Fribourger den Zürchern erklären, warum deren Bewertungsmethode untauglich ist und eben gerade nicht dem Sinn des berühmten Kreisschreiben 28 der Steuerkonferenz entspricht:

    “Nun ist aber bekannt, dass bei Finanzierungsrunden der Startups der von den potenziellen Investoren bezahlte Preis nicht zwingend repräsentativ ist für den Wert des Unternehmens: Die Absicht der Investoren besteht oft darin, ein Projekt zu unterstützen, das ihnen am Herzen liegt, und das investierte Kapital widerspiegelt nicht den Unternehmenswert des Startups im Zeitpunkt der Investition, sondern, potenziell, einen künftigen Wert. Aus diesem Grund sind die Freiburger Steuerbehörden der Ansicht, dass der von Dritten in Finanzierungsrunden bezahlte Preis für die Bewertung des Unternehmens nicht relevant ist.”

    Weitere Kantone:
    Aus diversen weiteren Kantonen ist mir zudem bekannt, dass diese weiterhin die Praktiker-Methode anwenden werden. Dies wird jedoch meist nur hinter vorgehaltener Hand kommunziert. In diversen kantonalen Parlamenten sind jedoch parlamentarische Vorstösse zum Thema hängig und so werden sich bald weitere Kantone klar positionieren.

  5. Wie geht’s weiter?
    Der Zürcher Regierungsrat scheint trotz zunehmend dünnem Eis im Thema “Startup-Steuer” nicht gewillt zu sein, von der Interpretation ihres Steueramts abzurücken. Dies obschon ausserhalb des Biotops Steueramt Zürich niemand in der Schweiz deren sachlichen  Interpretation folgt und die Zürcher Verwaltung mit ihrer Denkweise alleine dasteht. Trotzdem werden die Verantwortlichen ihre Sicht der Dinge wohl im September  in die Schweizer Steuerkonferenz und die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren einbringen und dort mit wehenden Fahnen untergehen.

    Vielleicht dämmert es den Verantwortlichen ja aber doch schon über die Sommerferien und sie besinnen sich? Ich habe noch die Stimme  von Regierungsrat Stocker an einer Medienkonferenz im Ohr, die da sagte: “Kein Startup im Kanton Zürich soll schlechter gestellt sein als in einem anderen Kanton” . Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen!

    Es wäre für den Zürcher Regierungsrat höchste Zeit, die Dinge in die Hand zu nehmen und in Sachen Startup-Steuer einen raschen, pragmatischen Entscheid zu fällen, nämlich zurück zur Praktiker-Methode, wie dies die anderen Kantone auch tun. Ich vertraue darauf, dass in Zürich immer noch die Regierung regiert und nicht die Verwaltung!

5 thoughts on “Startup-Steuer: Zürich steht alleine da

  1. Sven Beichler says:

    Lieber Roland

    sehr guter Artikel.
    Die unsägliche Beamten Arroganz (aus Neid, Langweile oder Dummheit?) ist wirklich nicht mehr auszuhalten. Ich finde die Erfinder von solchem Schwachsinn sollten namentlich in der Weltpresse genannt und “gefeiert” werden.
    Immerhin muss man sich doch schon einiges dazu einfallen lassen, wie man noch auf die eine oder andere Weise Firmengründer neidverhasst schaden kann in Zürich. Tolle Leistung und vielen Dank Zürich. Die Jobs sind dann mal “gern geschehen”.

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  2. Andreas Bernhard says:

    Gratuliere für den ausgezeichneten Artikel sowie die Antwort aus Freiburg. Absolute Fehlauslegung und -interpretation aus unserem Wirtschaftszentrum, welche letztendlich viel Reputation und Geld kosten wird.

    Herzlich Grüsse aus der ‘Steuerhölle’ Bern

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