Wieso Airlines kein Bargeld haben….

Wer dieser Tage bei einer Airline seine Flüge annulliert, erwartet eine Rückerstattung des vor Wochen oder Monaten bezahlten Ticketbetrags. Meist erhält man aber keine Antwort, oder lediglich einen Gutschein.

Warum das so ist, zeigt diese Grafik aus “Bloomberg” deutlich – es fehlt den Airlines an Cash! Das für die Flüge in die Frühlings- oder Sommerferien bezahlte Geld, wurde weit vor dem Boarding, für den laufenden Betrieb verwendet. Im Fall der Lufthansa besteht die vorhandene Liquidität offenbar zu mehr als 70% aus Kunden-Vorauszahlungen….!!!

 

tug of war

Daher haben viele Airlines Rückerstattungen an Privatkunden, aber auch Reisebüros und Reiseveranstalter eingestellt. Die Reisebüros wiederum sitzen im Sandwich, sind (je nach Konstellation) für die Rückerstattungen an ihre Kunden haftbar und müssen jetzt befürchten, wegen der Praxis der Airlines in Konkurs zu geraten. Zwar fordern die Reisebüro-Verbände seit langem eine Kundengeld-Absicherung, nur wurde diese Forderung von den Airlines seit Jahren vom Tisch gewischt…und es wurden munter weiter Kundengelder als Betriebskapital missbraucht.

Wir kennen das Spiel von den Banken vor/während der Finanzkrise. Es werden Risiken eingegangen, da man als Management davon ausgeht, im Krisenfall sowieso vom Staat gerettet zu werden –> too big to fail – oder systemrelevant, wie das auf gut deutsch heisst.

Dies ist mit Sicherheit auch bei den Netzwerk-Airlines wie Swiss/Lufthansa der Fall. Gerade in der Schweiz haben wir schon einmal erlebt, was eine Airline-Pleite an Folgeschäden verursacht – das will man nicht nochmal erleben und die Politik ist dementsprechend gefügig.

Die ehemaligen Staats-Airlines, wie Swiss/Lufthansa/Austrian, British/Iberia oder AirFrance/KLM und SAS gehören vom Staat* gerettet und sollen auch in Privatbesitz bleiben. Gleichzeitig soll der Gesetzgeber nun aber mit harten Auflagen an das Eigenkapital von Airlines dafür Sorgen, dass sich diese in Zukunft nicht auf Kosten von Kunden-Vorauszahlungen finanzieren dürfen. Kundengelder gehören über eine Fondslösung oder eine Insolvenz-Versicherung abgesichert, wie das Reiseveranstalter seit mehr als zwei Jahrzehnten von Gesetzes wegen tun müssen.

*tbd: welcher Staat im Falle der LH

 

Airlines, wir müssen reden!

Zugegeben, das Airline-Business ist ein äusserst schwieriges und hochkomplexes Geschäft. Da muss auch in normalen Zeiten ganz viel zusammenpassen, damit eine Fluggesellschaft gut funktioniert und Gewinn abwirft.  Obschon privatwirtschaftlich organisiert, erfüllen Airlines eine wichtige öffentliche Funktion, denn sie stellen die für Wirtschaft, Tourismus und Logistik nötigen Verkehrsanbindungen her, mit der unsere heutige Welt funktioniert. Dies wird einem jetzt in der Corona-Krise ganz besonders bewusst, wo das ganze System zum Stillstand kommt und praktisch alle Flugzeuge am Boden stehen.

Es ist für mich deshalb dringend notwendig, dass die verschiedenen Staaten den Airlines und auch den anderen Stakeholdern im arg gebeutelten Luftfahrt-Ökosystem (Abfertiger, Wartungsbetrieben, Luftfracht-Betreibern, Flughäfen, etc) zeitnah unter die Arme greifen, um deren Überleben zu sichern.

Wenn dies aber die öffentliche Hand mit dem Geld von uns allen Steuerzahlern tut, so gilt es jetzt aber einige Fehlentwicklungen der letzten Jahre anzusprechen und zu beseitigen:

 
Gutscheine anstatt Bargeld
Momentan sind die Zeiten für alle hart, insbesondere für Airlines. Die Liquidität ist nach dem Nachfrage-Kollaps eng – das versteht jeder. Auch dass viele Airlines die letzten Wochen mit dem Ansturm an Anfragen nicht zurecht gekommen sind, ist völlig verständlich.

Es gilt aber ganz klar festzuhalten, dass jeder Kunde Anspruch auf die Rückerstattung der bereits einbezahlten und nicht angetretenen Flüge hat.

Leider aber sind nun viele Airlines dazu übergegangen, anstelle von Rückerstattungen Gutscheine mit einer Vielzahl von komplizierten Regeln und limitierten Laufzeiten zu versprechen, was rechtlich so nicht haltbar ist.

Liebe Airline, wenn Du den Passagieren anstelle von Bargeld einen Gutschein schmackhaft machen willst, dann sollte dies ein mindestens 5 Jahre gültiger Bar-Gutschein sein, der an keinerlei Bedingungen geknüpft ist. Und wenn Du Deine Passagiere (deren Geld du schon monatelang hortest) animieren willst, anstatt Bargeld, einen Guschein zu akzeptieren, dann solltest Du noch etwas drauflegen, wie eine Gratis-Sitzplatzsreservation, Gutscheine für Gepäck, oder mehr Warenwert.

Kundengeld-Absicherung
In der Luftfahrt gilt die Logik der Vorauszahlung, dh. wenn ich jetzt einen Flug für Oktober buche, so kassiert die Airline das Geld sofort, liefert ihre Leistung aber erst mehrere Monate später. Geht eine Airline in Insolvenz, so ist dieses Geld für den Kunden meist verloren, wie dies bei Air Berlin, Germania, Sky Work, Flybe und ganz vielen Airlines die letzten Jahre der Fall war. Für Reiseveranstalter gibt es europaweit seit mehr als 20 Jahren die Pflicht der Kundengeldabsicherung: Wer eine Pauschalreise bucht, kriegt sein Geld also auch im Fall einer Insolvenz des Reiseveranstalters zurück und wird aus dem Ausland repatriiert, sollte er im Zielland stranden.

Seit 10+ Jahren versuchen die Reisebüro-Verbände eine ähnliche Pflicht zur Kundengeldabsicherung auch bei den Airlines einzuführen, sind aber mit mehreren Vorstössen immer wieder gescheitert. Der Grundtenor der Airlines blieb dabei immer derselbe: Man sei solide finanziert, eine solche Absicherung sei unnötig und verteuere die Ticketpreise.

Wie solvent die Airlines wirklich sind, sieht man jetzt, wo sie sich weigern, einbezahlte Kundengelder sofort zu erstatten. Ganz offensichtlich lebt man ja doch von Kundenkrediten!!?

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Eine Kundengeldabsicherung für Flugtickets muss jetzt sofort eingeführt werden!

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Einseitigkeit von Passagier/Airline-Verträgen
Wer kennt es nicht: wenn man als Passagier ein Flugticket annullieren oder ändern will, ist das im Normalfall praktisch unmöglich. Gekauft (und bezahlt!) ist gekauft und wer etwas anderes möchte, muss ein neues Ticket kaufen- so die Grundhaltung der Airline. Ganz anders sieht die Situation aber aus, wenn die Airline Flüge streicht, Flugzeiten ändert oder Routen sogar ganz streicht. Ändert die Airline ihr Teil des Vetrags, gelten plötzlich ganz andere Regeln und oft wird einem sogar der Vertragsrücktritt verweigert oder die Rückerstattung erst nach langwierigen und mühsamen Prozessen gewährt. Kommt dazu, dass viele Airlines nur in ihrem Herkunftsland einklagbar sind, was die Sache für einen Konsumenten deutlich schwieriger macht, an das bereits bezahlte Geld zu kommen.

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Airline/Passagier-Verträge müssen fairer werden. Es kann nicht sein, dass man Euch Anwälte oder das Gericht auf den Hals hetzen muss, um die Einhaltung Eurer schon sehr asymetrischen Verträge einzufordern.
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Behandlung Reisebüro-Vertriebspartner
Weltweit greift ihr Airlines auf Zehntausende von IATA-Travelagents zurück, die Eure Flugtickets verkaufen und ganz nebenbei auch noch kostenlos die Beratung für komplexere Buchungen übernehmen. Leider aber, sind auch die für die Zusammenarbeit mit den Reisebüros zugrunde liegenden IATA-Regulations und das Abrechnungssystem via BSP, an Einseitigkeit nicht zu überbieten. So können Airlines jederzeit kleinste Verstösse gegen die IATA-Rules mit Bussen (ADM) belegen und direkt auf dem Konto der Reisebüros belasten. Oder eine Rückerstattungs-Funktion wird jetzt im Krisenfall einseitig suspendiert – das Reisebüro ist den Airlines weitestgehend ausgeliefert.

Gleichzeitig werden Kostenoptimierungs-Massnahmen der Airline, wie Umbuchungen, Routen-Streichungen oder Flugplanänderungen laufend auf dem Rücken der Vertriebspartner ausgetragen. Die Airline hat die Kosteneinsparung, das Reisebüro die unbezahlte Arbeit.

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IATA-Rules und BSP sollen in Zukunft durch ein gemeinsames Gremium Airline/Vertrieb gelenkt werden. Einseitige Systemänderungen sollen unmöglich gemacht werden. Vertriebspartner sollen zukünftig für Umbuchungsaufwände entschädigt werden.
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Abschliessend möchte ich noch einmal betonen, dass die Luftfahrt sehr wichtig ist und in dieser Krise gerettet werden muss. Gleichzeitig ist jetzt aber auch der Moment gekommen, wo sich Airlines gegenüber Passagieren und Vertriebspartnern fair verhalten und ihre bisherige Arroganz gründlich überdenken sollten. Wenn die öffentliche Hand jetzt hilft, muss sie gewisse Dinge aus dem obigen Katalog auch politisch einfordern.