Arbeitslosen-Versicherung und Startups – ein Skandal!

Das Schweizer Startup-Ökosystem ist in den letzten Jahren stark gewachsen – viele junge Leute sind bereit ihre Vision im Rahmen einer eigenen Firma zur Realität werden zu lassen und stürzen sich in das Abenteuer Startup. In den meisten Fällen geschieht dies mittels der Gründung einer Kapitalgesellschaft (AG oder GmbH) in welcher die Firmengründer massgeblich beteiligt sind und oftmals wird das Startup mit Hilfe von externen Investoren auf Wachstum getrimmt. Es werden die in der Schweiz so dringend benötigten Arbeitsplätze der Zukunft geschaffen und damit Personen- und Firmensteuern generiert. So weit so gut – und alle in Wirtschaft und Politik sind sich einig, dass Firmengründungen gefördert werden sollten, denn das ist die Zukunft.

Was geschieht nun aber, wenn eine Firmenidee scheitert und das Unternehmen ins Trudeln gerät? In der Regel versuchen dann die Firmengründer die Firma mittels Kostenreduktionen über Wasser zu halten – meistens wird auch beim eigenen Lohn gespart, oder schlicht und einfach über Monate kein Lohn ausbezahlt, um mit dem nächsten Pivot oder der nächsten Partnerschaft den Durchbruch zu schaffen.

Irgendwann geht es nicht mehr weiter, einem oder mehreren Gründern muss gekündigt werden und ist jetzt offiziell arbeitslos. Auf dem regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV), kommt dann aber oft der Schock:
Gründer haben in so einem Fall keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, dies obschon sie während zT. über Jahre brav 2,2% ihres Bruttolohnes in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben.

Begründet wird das von der ALV mit der “arbeitgeberähnlichen Stellung” des Antragsstellers. Ist also ein Gründer in seinem Unternehmen in der Geschäftsleitung, unterschriftsberechtigt, im Verwaltungsrat oder “massgeblich am Unternehmen beteiligt”, wird von der Arbeitlosenkasse keine Leistung ausbezahlt. Mehr dazu nachzulesen gibt es in der AVIG-Praxis (ab B17) oder auf der Website der ALV. Die Verweigerung der Versicherungs-Leistung wird vom RAV mit der grossen Missbrauchsgefahr begründet – einzige Möglichkeit Versicherungsleistungen zu erhalten ist der Konkurs der Firma und/oder der Rücktritt von sämtlichen Ämtern bei einer AG/Gmbh – was aber in der Praxis oft tricky ist und/oder sehr lange dauert.

Viele Startup-Gründer/innen zahlen also jahrelang Prämien in die ALV ein, haben aber keinen Anspruch auf Leistungen, da sie über eine Kapitalgesellschaft angestellt sind. Wären sie im steuerlichen Sinn Selbständigerwerbende, hätten sie zwar auch keine Versicherungsleistung, müssten aber keine Prämien zahlen.

Viele Startup-Förderer und selbst der Bundesrat fordern “mehr Mut zum Risiko” bei Startup-Gründern und dass das Scheitern mit einem Startup nicht mehr mit einem Stigma belegt werden sollte. Gleichzeitig diskrimiert man aber gescheiterte Unternehmer und behandelt sie auf Vorrat wie notorische Betrüger – zockt sie aber dann doch gerne jahrelang als Beitragszahler ab.

Ich bin der Meinung, dass das nicht zusammenpasst und hier dringend eine Gesetzes-, resp. Praxisänderung herbeigeführt werden muss. Klar kann die ALV nicht schwankende Auftragslagen eines KMU überbrücken, aber dass man gescheiterte Gründer pauschal des Betrugs bezichtigt, aber dennoch Prämien zahlen lässt geht nicht. Mindestens sollte eine Einzelfall-Prüfung eingeführt, oder Minimal-Leistungen in Relation zu den bezahlten Prämien ausgerichtet werden. Alles andere ist nicht nur in höchstem Masse unfair, sondern prügelt gescheiterte Unternehmer unnötig.

Die Startup-Kapitaljagd 2017 ist eröffnet!

Aufgrund meiner Vergangenheit und meiner Exposure werde ich relativ häufig für Investments in Startups angegangen – was jedoch die letzten paar Wochen abgeht, ist unglaublich und habe ich so noch nie erlebt! Alleine letzte Woche erreichten mich 23 Finanzierungsanfragen – seit Anfang Jahr sind es mehr als 110!!!

Dabei ist wieder einmal augenfälllig, dass in Europa eine grosse Finanzierungslücke zwischen Pre-Seed/Seed und einer anständigen Series-A-Runde klafft. Die meisten der kapitalsuchenden Startups sind schon 2-3 Jahre unterwegs und suchen für den nächsten Schritt € 2-4Mio. Das ist für Businessangels zu viel Geld, für grosse VC-Firmen aber zu wenig.

Als Startup-Investor ohne Sekretariat oder Mitarbeiter ist die Flut der eingehenden Anfragen kaum mehr zu bewältigen – meist kann ich mir darum wirklich nur 2-3 Minuten Zeit nehmen um eine Idee kurz anzuschauen und muss dann in 99% der Fälle absagen. Nach meiner Absage haken dann wiederum rund 2/3 der Startups nach und fighten für ein Investment – kann man machen, führt aber bei mir eigentlich nie zum Erfolg, sondern erhöht nur meinen Aufwand.

Dabei liegt es mir absolut fern unhöflich, oder gar arrogant zu wirken, denn ich weiss selber aus eigener Erfahrung, wie mühsam die Betteltour bei den Investoren ist. Leider aber ist es so, dass momentan die Nachfrage nach Kapital das Angebot massiv übertrifft. Hier darum einige Tipps, wie man erfolgreich einen Investor angeht:

A) Zeit einplanen
Ein Startup hat es in der Regel extrem eilig, will schnell zu Geld kommen um endlich loslegen zu können oder muss das Konto auffüllen um in einigen Tagen Rechnungen und Löhne zu zahlen. Als Investor will ich mich jedoch nicht in einen zu ambitiösen Zeitplan drängen lassen, sondern mir die Sache in aller Ruhe anschauen und dann entscheiden können. Pusht mich ein Startup zu fest, kann es darum durchaus sein, dass ich den Deal fallenlasse. Auch Nachfass-Anrufe Abends oder am Samstag/Sonntag gehen nicht!

Fazit:
Eine Finanzierungsrunde (Start bis Geld-auf-Konto), dauert in der Regel 3-6 Monate. Es empfiehlt sich darum mit dem Fundraising anzufangen, solange man noch Geld und Gelassenheit hat.

B) Investor-Pattern durchschauen
Mich erstaunt immer wieder, wieviele Anfragen ich für Life-Science-Startups erhalte. Dies obschon ich noch nie in ein solches investiert habe, denn Naturwissenschaften sind nicht mein Ding und deshalb verstehe ich in aller Regel weder die Problemstellung, noch die geniale Lösung des Startups und wäre der komplett falsche Investor.

Fazit:
Es lohnt sich, sich etwas Zeit für die Vorauswahl der potentiellen Investoren zu nehmen. Heute gibt es im Internet sehr viele Infos und es ist relativ leicht, ein Investoren-Pattern aufgrund der öffentlich zugänglichen Infos zu erkennen. Ist der richtige Wunsch-Investor identifiziert, lassen sich viele Leerläufe vermeiden.


C) Bewertungen und Terms
In letzter Zeit treffe ich auf viele Startups, die grosse Ambitionen haben, in der Realität jedoch noch kaum etwas erreichen konnten – dies ist soweit normal und ok. Gleichzeitig träumen diese Startups dann aber von Silicon-Valley-Bewertungen (Pre-Product Seed-Round € 3M und mehr) und wollen gleichzeitig aber keine harten Terms (Liq-Pref, Anti-Dillution, Founders-Lockup, etc) akzeptieren.

Fazit:
Einerseits ist das Timing bei Kapitalrunden sicher extrem entscheidend. Umso mehr man nachweislich erreicht hat und Thesen beweisen konnte, desto mehr lassen sich höhere Bewertungen durchsetzen. Hohe Bewertungen haben aber auch eine Kehrseite, denn Investoren sichern sich mit allerhand Instrumenten für den Fall ab, dass der Businessplan nicht wie vorgesehen aufgeht.  Manchmal ist es darum schlauer, die Bewertung etwas tiefer anzusetzen und dafür gründerfreundliche Terms durchzusetzen.

D) Investoren-Geld bedeutet Kontrollverlust
In der Realität hat ein junger Gründer kaum genug eigenes Geld, um seine Firma in kurzer Zeit den Weltmarkt erobern zu lassen. Er könnte wohl bescheiden gründen und langsam wachsen – aber mit externem Investoren-Geld geht das viel schneller. Manche Gründer scheinen aber zu vergessen, dass externes Kapital auch einen gewissen Kontrollverlust mit sich bringt. Geldgeber wollen mitreden und ständig auf dem Laufenden gehalten werden – dazu nehmen diese meist Einsitz in den Verwaltungsrat.

Fazit:
Startup-Investoren riskieren sehr viel – nebst dem investierten Geld meist auch noch ihren Ruf – zudem unterstützen sie ein Startup oft auch zeitlich indem sie ihr Netzwerk öffnen und die Gründer coachen. Nichts als verständlich, wollen Investoren auch mitreden – ein offenes und ehrliches Verhältnis zwischen Gründern und Investoren ist deshalb unerlässlich.

Zürcher Startup-Steuer ist Geschichte!

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Wie bereits in meinem letzten Blogbeitrag erwähnt, ist in den letzten Wochen in der Zürcher Finanzdirektion in Sachen “Startup-Steuer”  langsam aber sicher Einsicht eingekehrt. Und heute ist es soweit, veröffentlicht doch die Finanzdirektion folgende Medienmitteilung, in der sie ankündigt, die schädliche Startup-Steuer fallen zu lassen.

Allerdings besteht auch aufgrund der neu erlassenen Weisung ein gewisser Spielraum, was in Steuersachen durchaus üblich ist. Es ist von “Firmen im Aufbau” für die Definition von Startups die Rede, ebenso wird der Substanzwert nur als Basis genommen, bis “repräsentative Geschäftsergebnisse” vorliegen. Allerdings wird auch klar gesagt, dass Investorenpreise nicht als Basis für die Bewertung hinzugezogen werden können.

Alles sehr gummig und nicht sehr präzise! Allerdings scheinen sowohl der Finanzdirektor Ernst Stocker, wie auch die Steuerverwaltung begriffen zu haben, dass man nicht virtuell-spekulative Vermögenswerte besteuern kann, was schon ein sehr grosser Erfolg ist und mich positiv stimmt.

Es wird nun darauf ankommen, wie die neue Weisung in der Praxis umgesetzt wird. Die Erfahrung hat gezeigt, dass man hier der Steuerverwaltung ganz genau auf die Finger schauen muss, damit hier nicht wieder übertrieben wird!

Alles in allem ist heute aber ein sehr erfreulicher Tag für Zürcher Startups. Dank grossem Druck der Startup-Szene und einzelnen Exponenten der Politik wurde dieses Ergebnis erreicht. Ich kenne die meisten Exponenten, die unermüdlich, unentgeltlich und mit grossem Einsatz für diese Praxisänderung gekämpft haben – ich war hier nur ein kleines Zahnrad. Danke Euch ganz herzlich für Euren Einsatz!

 

Startup-Steuer: Positive Signale aus der Finanzdirektion

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Seit rund zwei Jahren hat die Finanzdirektion des Kantons Zürich Gründer und Frühinvestoren von Startups mit happigen Vermögenssteuer-Rechnungen verschreckt. Denn wider jeglicher Logik wurden Preise aus Finanzierungsrunden als “Verkehrswert” betrachtet und die Besitzer von Startup-Aktien in manchen Fällen mit horrenden Vermögenssteuern bestraft.

Mittlerweile wurde die Liste der Kantone, die den Sachverhalt genau gegenteilig wie Zürich handhaben immer länger und länger (siehe Bericht). In der Tat fand sich in einer Umfrage bei den verschiedenen Finanzdirektionen/Steuerämtern in der Schweiz nicht ein einziger Kanton, der die Zürcher Praxis übernimmt – der Kanton Zürich steht also schweizweit alleine da und ist als Startup-Standort sehr unattraktiv geworden.

So langsam scheinen nun auch Finanzdirektion und Steueramt in Zürich aufzuwachen. Nachdem die Zürcher Startup-Steuer von deren Exponenten bisher immer standhaft verteidigt wurde, scheint man nun offen für eine Kehrtwende. Eine Fachkommission mit Vertretern aus Finanzdirektion, Steuerverwaltung und der Wirtschaft wurde gebildet und man sucht nun aktiv einen Weg aus der Sackgasse, sprich die “Startup-Steuer” wieder abzuschaffen.

Wie man sich aber gut vorstellen kann, ist es mit dem guten Willen einer Regierung und Verwaltung alleine nicht getan. In der Praxis müssen Richtlinien überarbeitet werden und allfällig neue Regelungen sauber durchdacht und formuliert werden. Zudem muss man wohl auch entscheiden, was mit den bemitleidenswerten Startup-Shareholdern passiert, welche die letzten Jahre eine solche Steuerrechnung zahlen mussten oder momentan einen Rekurs am Laufen haben.

Insgesamt bin ich aber sehr positiv, dass Regierungsrat Ernst Stocker sein Versprechen “Startups sollen es in Zürich mindestens ebenso gut haben, wie im Rest der Schweiz”, doch noch einlöst. Ich bin guter Hoffnung, dass dieses Thema bis Ende Jahr erledigt ist und wir uns alle – Politik wie Startups – im 2017 wieder anderen Themen widmen können.

 

Startup-Steuer: Zürich steht alleine da

IMG_8002Viel wurde in den letzten Monaten über das Thema Startup-Steuer geschrieben und das Thema wurde ausführlich diskutiert. Zeit für eine Bestandesaufnahme vor den grossen Sommerferien:

  1. Die Startups
    Gründer von Startups haben nebst 60h-Wochen eigentlich keine Zeit sich um die Steuer-Problematik zu kümmern. Dennoch ist das Thema zur Zeit in praktisch jedem Startup-Verwaltungsrat traktandiert und es werden Szenarien entwickelt, wie man dem drohenden Startup-Steuerwahnsinn im Kanton Zürich entfliehen kann. Viele Startups haben deshalb Pläne in der Schublade, spätestens im Q4/16 den Firmensitz zu verlegen. Andererseits höre ich von vielen jungen Startup-Gründern, dass sie von Anfang an gar nicht mehr in Zürich gründen wollen, sondern gedenken dies in anderen Kantonen oder gleich direkt im Ausland zu tun.

    Die Resultate der Venturelab-Studie, die besagt, dass 85% der Zürcher Startups einen Domizilwechsel ins Auge fassen ist deshalb nicht wirklich erstaunlich.Längst hat sich der Zürcher Startup-Steuer-Wahnsinn auch im Ausland herumgesprochen. Egal ob in Berlin, London, Stockholm oder Barcelona – schon mehrfach wurde ich mit Kopfschütteln auf das Thema angesprochen. Der Reputationsschaden für Zürich ist enorm.

  2. Die Verwaltung und Regierung in Zürich
    Zur Erinnerung: Das neue Steuerregime für Startups entsprang ja nicht einem politischen Prozess, sondern der Kreativität eines übereifrigen Chefbeamten im Kantonalzürcher Steueramt, der seit Jahren bestehende Gesetze und Kreisschreiben der Steuerkonferenz über Nacht anders interpretierte und Inhaber von Startup-Aktien willkürlich mit horrenden Vermögenssteuer-Einschätzungen “beglückte”. Erstaunlicherweise stützte auch die Chefin des Zürcher Steueramtes diese Interpretation obschon sie unlogisch und in einigen Bereichen sachlich falsch ist – zudem sehen den Sachverhalt viele andere Kantone diametral anders. Es ist erstaunlich, mit welcher Verbissenheit die Zürcher Steuerverwaltung ihre Sicht der Dinge verteidigt. So werden faule Kompromisse präsentiert und Medienkonferenzen einberufen, wo höchst fragwürdige Statistiken präsentiert werden.

    Die für dieses Thema zuständige Exekutive in Zürich besteht einerseits aus der Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (FDP) und dem Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP). Beide Regierungsräte sind erst knapp ein Jahr im Amt, Stocker wechselte im Sommer 2015 vom Volkswirtschaftsdepartement in die Finanzdirektion, Walker Späh wurde neu gewählt und erbte von Stocker das Wirtschaftsdepartement und repräsentiert sowas wie das Business-Development des Kantons.

    Die beiden zuständigen Regierungsräte sowie der Gesamtregierungsrat wissen um die Wichtigkeit von Startup-Firmen. Wenn es jedoch um das konkrete Steuerthema geht, verlässt er sich voll und ganz auf das Zürcher Steueramt, welches wiederum behauptet, dass man die neue Startup-Steuer so durchziehen müsse, weil es so verbindlich in einem Kreisschreiben der Steuerkonferenz stehe. Interessant nur, dass Zürich der einzig bekannte Kanton ist, der das so praktiziert.

    Fazit:
    In Zürich sind sowohl Verwaltung als auch Regierung politisch in einer Sackgasse, derweil die jungen, hoffnungsvollen Unternehmen Reissaus nehmen. Kluge Politik sieht anders aus. Zudem kann von einer Regierung erwartet werden, dass sie regiert und sich nicht von der Verwaltung ins Offside steuern lässt.

  3. Der Zürcher Kantonsrat (Legislative)
    Verdankenswerterweise haben sich einige Zürcher Kantonsparlamentarier der Problematik der Startup-Steuern angenommen und nebst vielen bilateralen Gesprächen auch parlamentarische Vorstösse lanciert. Eine Vorreiterin ist hier Judith Bellaiche der Grünliberalen, welche sich aktiv in diesem Thema engagiert hat und eine Motion eingereicht hat.

    Desweiteren haben Alex Gantner (FDP), Roger Liebi (SVP) und Jean-Philippe Pinto (CVP) ein dringliches Postulat zum Thema Startup-Steuern eingereicht, das ebenfalls die Rückkehr zur Praktiker-Methode fordert. Dieses dringende Postulat wurde letzte Woche ohne Gegenstimme (!!) vom Kantonsrat an den Regierungsrat überwiesen, der nun auf das Thema eintreten muss. Der Kantonsrat hat also die Dringlichkeit erkannt, allerdings mahlen politische Mühlen sehr langsam und es wird noch eine Weile dauern, bis vom parlamentarischen Weg Verbesserungen für die Startups erwartet werden dürfen. 

  4. Die anderen Kantone
    Der Sololauf der Zürcher Steuerverwaltung in Sachen Startup-Steuer sorgte in den letzten Monaten bei den Steuerämtern und Finanzdirektoren anderer Kantone für heftiges Stirnrunzeln. Mir ist kein einziger Kanton bekannt, der sich der “Zürcher Lösung” anschliesst und dies öffentlich kundtut. Auch ist mir kein einziges Startup mit Sitz ausserhalb Zürichs bekannt, welches über astronomische Steuer-Rechnungen klagt. Im Gegenteil haben sich die letzten Wochen einige  für Startups relevante Kantone klar öffentlich gegen das Zürcher Startup-Steuerregime ausgesprochen:

    Basel Stadt:
    Nach einer Interpellation von Dieter Werthemann (GLP) stellt Finanzdirektorin Eva Herzog in einer mündlichen Beantwortung anlässlich der Grossrats-Sitzung vom 8.6.2016 klar, dass….… Basel bei der Bewertung Startup-Aktien bei der Praktiker-Methode bleibt
    … VC-Runden nicht für die Bewertung hinzugezogen werden
    … man sich dem “Zürcher Modell” nicht anschliessen werde

    Dies ist im Detail im Audio-Protokoll der Grossratssitzung nachzuhören (Punkt 17/77)

    Waadt (Vaud):
    Auch im Kanton Waadt hat sich der Kanton nach einer parlamentarischen Anfrage ganz klar für die “Praktiker-Methode” ausgesprochen – hier nachzulesen.

    Fribourg:
    Auf die parlamentarische Anfrage von Grossrat Thomas Rauber (CVP) antwortet die Fribourger Regierung ebenfalls mit einer klaren Absage an das “Zürcher Modell”. Lesenswert an der Antwort ist insbesondere der Abschnitt, wo die Fribourger den Zürchern erklären, warum deren Bewertungsmethode untauglich ist und eben gerade nicht dem Sinn des berühmten Kreisschreiben 28 der Steuerkonferenz entspricht:

    “Nun ist aber bekannt, dass bei Finanzierungsrunden der Startups der von den potenziellen Investoren bezahlte Preis nicht zwingend repräsentativ ist für den Wert des Unternehmens: Die Absicht der Investoren besteht oft darin, ein Projekt zu unterstützen, das ihnen am Herzen liegt, und das investierte Kapital widerspiegelt nicht den Unternehmenswert des Startups im Zeitpunkt der Investition, sondern, potenziell, einen künftigen Wert. Aus diesem Grund sind die Freiburger Steuerbehörden der Ansicht, dass der von Dritten in Finanzierungsrunden bezahlte Preis für die Bewertung des Unternehmens nicht relevant ist.”

    Weitere Kantone:
    Aus diversen weiteren Kantonen ist mir zudem bekannt, dass diese weiterhin die Praktiker-Methode anwenden werden. Dies wird jedoch meist nur hinter vorgehaltener Hand kommunziert. In diversen kantonalen Parlamenten sind jedoch parlamentarische Vorstösse zum Thema hängig und so werden sich bald weitere Kantone klar positionieren.

  5. Wie geht’s weiter?
    Der Zürcher Regierungsrat scheint trotz zunehmend dünnem Eis im Thema “Startup-Steuer” nicht gewillt zu sein, von der Interpretation ihres Steueramts abzurücken. Dies obschon ausserhalb des Biotops Steueramt Zürich niemand in der Schweiz deren sachlichen  Interpretation folgt und die Zürcher Verwaltung mit ihrer Denkweise alleine dasteht. Trotzdem werden die Verantwortlichen ihre Sicht der Dinge wohl im September  in die Schweizer Steuerkonferenz und die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren einbringen und dort mit wehenden Fahnen untergehen.

    Vielleicht dämmert es den Verantwortlichen ja aber doch schon über die Sommerferien und sie besinnen sich? Ich habe noch die Stimme  von Regierungsrat Stocker an einer Medienkonferenz im Ohr, die da sagte: “Kein Startup im Kanton Zürich soll schlechter gestellt sein als in einem anderen Kanton” . Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen!

    Es wäre für den Zürcher Regierungsrat höchste Zeit, die Dinge in die Hand zu nehmen und in Sachen Startup-Steuer einen raschen, pragmatischen Entscheid zu fällen, nämlich zurück zur Praktiker-Methode, wie dies die anderen Kantone auch tun. Ich vertraue darauf, dass in Zürich immer noch die Regierung regiert und nicht die Verwaltung!

Video

“In der Höhle der Löwen” – Medienkonferenz im Steueramt

Seit Monaten brodelt das Thema Startup-Besteuerung in Zürich. Seitdem ich mich in diesem Thema öffentlich exponiert habe, vergeht kein Tag in dem ich nicht von einem Jungunternehmen darauf angesprochen werde. Mittlerweile hat sich auch etwas getan, mindestens bei verschiedenen Politikern, die im Kantonsrat das Thema aufgenommen haben.

Insbesondere hat sich Kantonsrätin Judith Bellaiche von den Grünliberalen in den letzten Wochen sehr im Thema Startup-Steuer engagiert und versucht, die Finanzdirektion zur Vernunft zu bringen. Ebenso haben die die bürgerlichen Parteien SVP/FDP/CVP gestern angekündigt, dass sie nächste Woche im Kantonsrat ein dringliches Postulat platzieren werden, welches verlangt, dass der Kanton Zürich Venture-Runden bei der Bewertung von Startups nicht mehr berücksichtigt und zur Praktiker-Methode (Formel Substanz/Ertragswert)  zurückkehrt.

Offenbar wurde der politische Druck auch in der Finanzdirektion spürbar und so wurde mir und einigen weiteren Vertretern aus der Startup-Szene zugetragen, dass Regierungsrat Stocker und Steueramts-Chefin Züger heute zu einer kurzfristig ankündigten Pressekonferenz ins Steueramt eingeladen hätten.

Nach einigen Telefonaten war klar, dass Regierungsrat Stocker grosszügigerweise auch Vertretern aus der Startup-Szene erlaubt, an diesem Medienanlass dabei zu sein, primär als Beobachter/Gäste. So war also heute früh der Gang in die “Höhle der Löwen”, dem kantonalen Steueramt am Bändliweg in Zürich-Altstetten angesagt . Entgegen der bekannten Fernsehsendung werden hier aber kein Startup-Investitionen getätigt, sondern leider erheblich erschwert.

Die Medienkonferenz lief so ab, dass Regierungsrat Stocker die zahlreichen Medienvertretern (inkl. Tagesschau SRF) begrüsste und betonte, wie fest dass ihm Startups im Kanton Zürich am Herzen liegen und er gute Voraussetzungen für Innovation behalten resp. schaffen wolle. Dann folgten Ausführungen der Steueramts-Chefin Frau Marina Züger zum Thema und recht schnell wurde klar, dass die Finanzdirektion kein Jota von der vor 10 Wochen eingeführten “Lösung” abweichen will. Es wurde jedoch fleissig versucht, den Medienvertretern zu verkaufen, wie unbedeutend die getroffene Regel sei da nur ganz ganz wenige Startups (resp. deren Aktionäre) davon betroffen seien. Und wenn dann doch mal ein Startup-Gründer in Bedrängnis komme, weil er seine Steuern nicht bezahlen könne, dann werde man den Einzelfall anschauen… Zudem sei es in den meisten anderen Kantonen auch nicht besser. Rechtssicherheit und gute Rahmenbedingungen für Startup-Gründer/Investoren sehen anders aus – es läuft auf pure Beamtenwillkür hinaus!

Es wurde uns als Startup-Vertreter dann auch erlaubt, Fragen zu stellen und wir konnten auch gegenüber den Medien Stellung beziehen. Die Tagesschau hat dazu heute Abend einen recht kritischen Bericht gesendet:

Und auch das Schweizer Radio haut in dieselbe Kerbe:

Fazit:
Das Steueramt verteidigt seine kreative Praxis durch alle Böden und die Exekutive, vertreten durch Regierungsrat Stocker hat zwar nette Worte übrig, ändert aber nichts. Wenn der Kanton Zürich Startups hier behalten will, muss er entsprechende Voraussetzungen schaffen – dafür braucht es nicht einmal eine Gesetzesänderung, sondern einfach eine klare Anweisung des zuständigen Regierungsrates, dass das seit 2006 (!) vorhandene Gesetz nicht zum Nachteil von Startups ausgelegt wird – zurück zur bewährten Praktiker-Methode bei der Bewertung von Startups!

Ich werde mit all meiner Kraft versuchen, die jetzt in der Legislative (Kantonsrat) aufgegleisten Vorstösse zu unterstützen, damit dieser Steuer-Unsinn ein Ende hat. Dann hat Stocker keine andere Wahl mehr, als seine überkreativen Chefbeamten zurückzupfeifen.

Digitale Transformation: Es braucht Fachkompetenz in den Topgremien!

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“Die Entscheider wussten nicht, wovon wir sprachen und die, welche die Materie verstanden, durften nicht entscheiden”

 

Als Entrepreneur mit Jahrgang 1969 war ich am Anfang meines Berufslebens  noch mit Telex und Olivetti-Schreibmaschinen konfrontiert, die gerade mal 2 A4-Seiten abspeichern konnten. Danach kamen die ersten (sehr teuren und dummen) Computer dazu und auch der Telex wurde Ende 80er-Jahre durch die geniale Erfindung des Telefaxes ersetzt. Irgendwann im 1994 hatte ich dann bei einem der ersten Schweizer Provider an der Hohlstrasse in Zürich mein Erleuchtungserlebnis als ich mit einem Netscape-Browser erstmals ins Internet einloggte.

Von da an war ich angefixt, habe mit überschaubarem Erfolg die ersten Homepages programmiert und bald gemerkt, dass mein Talent nicht in der Programmierung und Grafik, sondern im geschäftlichen Teil des Internets liegt. Nach einigen Anläufen gründete ich zusammen mit Partnern dann im Jahr 2000 das Online-Reisebüro travel.ch, mit dem wir mitgeholfen haben, den Reisemarkt in der Schweiz zu digitalisieren. Damals gab es heftige Widerstände in der Reisebranche, resp. man hat teilweise gar nicht verstanden, was wir vorhatten. Unsere Zusammenarbeits-Anfragen bei grossen Reiseveranstaltern wurden von der IT ins Marketing und via Geschäftsleitung wieder zurück in die IT befördert.  Die Entscheider wussten nicht, wovon wir sprachen und die, welche die Materie verstanden, durften nicht entscheiden.

Anfang der 2000er-Jahre entstanden dann bei allen grossen Reisefirmen “E-Business-Abteilungen”, die abteilungsübergreifend das Thema Internet abhandeln sollten – dies aber mit der stillschweigenden Auflage, dem traditionellen Business nicht zu fest in die Quere zu kommen. Disruption fand in der Regel nicht statt und so ist es auch kein Zufall, dass die meisten erfolgreichen E-Travel-Firmen (Priceline, Tripadvisor, Getyourguide) von Branchen-Outsidern gegründet wurden – das klassische “Innovators Dilemma“. In anderen Branchen, wie Musik oder Printmedien war es noch schlimmer, auch dort wurden Weltfirmen von der digitalen Revolution auf dem linken Fuss erwischt und haben es nicht verstanden, sich auf die neuen Geschäftsmodelle auszurichten. Im momentanen “Fintech-Hype” merken nun auch die grossen Finanz- und Versicherungshäuser, dass es digitale Geschäftsmodelle gibt und man sich radikal verändern muss, um nicht auf der Strecke zu bleiben.

Heute wie damals ist augenfällig, dass kaum ein CEO oder Verwaltungsrat über ausreichend digitale Erfahrung verfügt. Wenn man sich die Führungsgremien von grossen Schweizer Firmen anschaut, so wimmelt es dort immer noch von Finanzern und Juristen, aber Online-Kompetenz ist kaum auszumachen. Hängt dies damit zusammen, dass die falsche Altersklasse an den Machthebeln sitzt und deshalb die Wichtigkeit der digitalen Erfahrung unterschätzt wird? Oder klammert man sich – am Gipfel der Macht angekommen – an seinem gut dotierten Posten und hat niemandem, der einem sagt, dass man für gewisse Themen nicht qualifiziert ist? Auf jeden Fall gibt es kaum digitale Experten in Geschäftsleitungen oder Verwaltungsräten von SMI-Firmen.

Zum Ausgleich spriessen jetzt bei vielen Corporates “Future Labs” aus dem Boden und es wird die Nähe zu Startups gesucht, die dem Konzern zeigen sollen, wie Innovation und Transformation funktionieren. Bei manchen Grossfirmen wird ein CDO (Chief Digital Officer) eingestellt, der die Firma auf digital trimmen soll. Allerdings verfügt ein solcher CDO in der Regel über eine beschränkte Macht in der Firma und es fehlen ihm die digitalen Ansprechpartner in Geschäftsleitung und Verwaltungsrat. Dementsprechend ist das Risiko gross, dass der CDO bei der “digitalen Transformation” (was für ein cooles Buzzword!) scheitern wird – immerhin hat man dann schon einen Sündenbock.

Wie lange wird es noch dauern, bis “digitale Kompetenz” zwingend bei der Besetzung eines Verwaltungsrates vorausgesetzt wird? Nur so haben Grossunternehmen eine kleine Chance, dass der längst fällige Schritt ins digitale Zeitalter noch bewerkstelligt werden kann.

Startup-Steuern: Erfolg oder Mogelpackung?

Wendung im Startup-Steuer-Drama? Tatsächlich publizierte die Zürcher Finanzdirektion heute in einer Mitteilung die auf den ersten Blick frohe Kunde, dass sie attraktivere Regeln für die Besteuerung von Startups einführe.

Initial war ich positiv überrascht. Wow, eine Regierung, die zuhört und pragmatisch zur Korrektur schreitet, wenn die Verwaltung überbordet und über Nacht eine Praxisänderung einführt. Das ist meine Schweiz, so wie ich sie kenne und liebe – dachte ich…

Bei der genaueren Betrachtung der offiziellen Zürcher Regierungskommunikation verfliegt die Freude dann aber rasch:

Das Steueramt will tatsächlich nach wie vor die Preise, die in Kapitalrunden bezahlt wurden als Basis für die Steuer-Bewertung eines Unternehmens heranziehen. Man hat noch nicht begriffen, dass diese Methodik dafür einfach nicht taugt, da eine Venture-Bewertung viele weitere Punkte beinhaltet. Als kleines Goodie wird diese Methode allerdings erst nach 3, resp. 5 Jahren angewandt. Zudem gibt man den Biotech und Medtech-Startups noch zwei Jahre mehr Zeit bevor virtuelles Vermögen besteuert wird.

Es gilt festzuhalten, dass die dreijährige Ausnahmefrist in der Praxis genau nichts bringen wird. Meist kriegt ein Startup erst im Jahr 3-6 relevante Geldmittel, die in der Regel innerhalb von 18 Monaten “verbrannt” werden um das Unternehmen möglichst rasch voranzubringen. Meist ist das Geld dann auch einfach weg – die hohe Steuerbewertung bleibt und auf dieser Basis zahlt der Startup-Aktionär dann brav jahrelang Vermögenssteuern auf virtuellem Vermögen. Wird man zukünftig erleben, dass Startups “Downrounds” inszenieren, damit die Steuerbewertung sinkt?

Die Finanzdirektion behauptet desweitern in Bezug auf die Zürcher Bewertungspraxis: “Die Behörden sind damit einer landesweit gültigen Wegleitung der Schweizerischen Steuerkonferenz gefolgt.” Mit Verlaub lieber Herr Stocker, das stimmt so nicht! Die Wegleitung der Steuerkonferenz ist sehr unpräzise und lässt den Kantonen einen grossen Interpretationsspielraum offen – so hat der Zürcher Regierungsrat kürzlich selber in einer Stellungnahme zur Anfrage Hofmann im Kantonsrat (Antwort RR 269/2015 Vertreibt der Kanton Zürich Startups?) festgestellt, dass diese Wegleitung nur in der Hälfte der Kantone angewandt wird. So wahnsinnig verbindlich kann das also nicht sein!

Fazit:
Nach der initialen Freude bleibt festzuhalten, dass die getroffene Regelung nichts anderes als eine Mogelpackung ist, bei der die Finanzdirektion versucht, das Gesicht zu wahren und gegenüber der Oeffentlichkeit und Startups gut dazustehen. Die effektiven Probleme, die mit der irrsinnigen Praxisänderung kreiert wurden bleiben zu grossen Teilen bestehen und es ist nach wie vor nicht einzusehen, warum man nicht einfach zur alten, bewährten, bis 2013 angewandten Bewertungspraxis zurückkehren kann.

 

Startup-Gründer-Steuern zum Zweiten

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Nie hätte ich gedacht, dass mein Blog-Beitrag zum Thema Einkommenssteuern für Startup-Gründer (https://rolandzeller.ch/2016/02/21/steueramt-vertreibt-startups-ins-ausland/) solch hohe Wellen wirft!

Der Beitrag wurde wurde über 10’000x gelesen und über 100x geteilt – das Thema scheint also wirklich die gesamte Startup-Community zu bewegen. Auch haben sich einige Exponenten direkt bei mir gemeldet und nicht zuletzt sind diverse Medienschaffende auf mich zugekommen.

Was in diesem Zusammenhang am meisten interessierte, sind folgende Fragen:

Geht es um den Wohnsitz des Gründers oder den Firmensitz des Startups?
Die Einschätzung des Firmenwerts wird am Sitz der Gesellschaft (z.Bsp ZH) festgelegt. Die Wohnsitzkantone der Aktionäre übernehmen dann diese Einschätzung in der Regel 1:1
Selbst wenn ein Gründer also in steuergünstigen Kantonen wie ZG oder SZ domiziliert ist, seine Firma aber in Zürich, trifft ihn die neue Praxis mit voller Schärfe.

Wieviele Fälle sind bis jetzt bekannt?
Ich weiss von einem ganz konkreten Fall aus erster Hand – von weiteren Fällen habe ich gehört. Ich wäre interessiert, von mehr Fällen zu hören. Ich werde diese sammeln und anonym aufbereiten.

Was gibt es für “Gegenstrategien”?
Als Gründer wohl echt nur die Möglichkeit, gleich ins Ausland zu gehen und dort zu gründen, resp. die Firma zu verlegen. Als Investor, das Investment über eine Investment-AG laufen zu lassen. Das ergibt zwar nach einem grossen Exit Doppelte Steuern (Gewinnsteuern AG + Einkommenssteuern bei Auszahlung an privat), aber immerhin entgeht man der jahrelangen Vermögenssteuer und man kann andere Aufwände abziehen und die Auszahlung staffeln.

Der Zürcher Regierungsrat behauptet, es sei ihm kein Fall eines Startups bekannt, das wegen dieser Regelung nicht in Zürich gegründet hat, oder weggezogen ist.
Wer kann hier konkrete Beispiele nennen?

—–

Ich kann nach wie vor nicht verstehen, wie es zu einer kurzsichtigen Fehleinschätzung der Situation durch Steuerbehörden und Regierungsrat kommen konnte. Die Schweiz verjagt die wirtschaftliche Zukunft der Schweiz ins Ausland und wird sich dann in ein paar Jahren fragen, warum alle tollen Ideen der hoch subventionierten Hochschulen im Ausland umgesetzt werden.

Ich bleibe dran!

 

 

 

Steueramt vertreibt Startups ins Ausland

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Die Schweiz ist steuerfreundlich, im internationalen Vergleich herrschen hier geradezu paradiesische Zustände mit tiefen Steuern und verständnisvollen Behörden, mit denen man auch mal diskutieren und eine individuelle, faire Steuerlösung finden kann. So die landläufige Meinung im In- und Ausland. Was in Einzelfällen vielleicht so ist, gilt nicht (mehr) für Startups resp. deren Gründer und Investoren.

Wie im Bericht der Handelszeitung, des Tagesanzeigers und Startuptickers kürzlich dargestellt, hat die Zürcher Steuerbehörde im 2015 still und leise eine neue Praxis bei der Bewertung von Startup-Aktien (Vermögenssteuer natürliche Personen) eingeführt, welche verheerende Konsequenzen für den Startup-Standort Zürich, resp. Schweiz hat.

 

Was hat sich geändert?
Bis anhin wurde der Wert von Firmenanteilen nach der Formel “2x Ertragswert (Gewinn) + 1 Substanzwert (Assets) geteilt durch 3” bemessen. Was bei den meisten Startups zu sehr überschaubaren Bewertungen und deshalb kaum relevanten Vermögenssteuern geführt hat. Seit 2015 hat das Steueramt des Kanton Zürich jedoch begonnen, die bei einer Kapitalrunde mit Venture-Capital zugrunde liegende Bewertung als steuerlicher  “Verkehrswert” heranzuziehen. Der Gründer soll nun also jährlich auf einem fiktiven Vermögen von x Millionen Steuern zahlen. Diese Vermögenssteuern können sich je nach Bewertung und fiktivem Vermögen auf mehrere Zehntausend Franken pro Jahr summieren. Einem Schweizer Hightech-Gründer hat das Steueramt kürzlich Vermögenssteuern in der Höhe von über Fr. 200’000 in Rechnung gestellt – zahlbar innert 30 Tagen!

Meines Erachtens macht das Steueramt hier folgende Fehlüberlegungen:

  • Die Bewertung bei einer Venture-Capital-Runde entspricht nicht dem tatsächlichen Wert der Firma, sondern reflektiert das Potential, das die Firma in den nächsten 3-5-7 Jahren hoffentlich realisieren wird
  • Die Venture-Bewertung ist an eine Vielzahl von Bedingungen geknüpft, welche den Wert erheblich relativieren. So sind meistens verschiedene Aktien-Kategorien im Spiel, wobei Gründer-Aktien über sehr wenige Rechte verfügen, die “Präferenz-Aktien” des Investors jedoch über viele mehr.
  • Diese Bewertung als “Verkehrswert” zu bezeichnen ist nur schon darum realitätsfremd, weil ja gerade nicht Aktien zu diesem Preis gehandelt wurden – es wurde via Erhöhung des Aktienkapitals Geld in die Firma investiert, zwischen den Aktionären floss kein Geld. Der Gründer kann in der Regel keine Aktien verkaufen und wenn doch (Secondaries), so zu einem vielfach tieferen Preis.

Im Endeffekt bleibt die Frage, woher ein Gründer das Geld nehmen soll um diese Vermögenssteuern auf fiktivem Vermögen zu zahlen? In der Realität wird eine Hightech-Gründer den Standort Zürich (und auch der Schweiz) in Zukunft meiden und seine Idee direkt in Berlin, London oder in den USA realisieren, wo deutlich bessere Rahmenbedingungen für Startups vorzufinden sind.

Die Politik:
Der Zürcher Kantonsrat Olivier Hofmann (FDP) hat kürzlich den ZH-Regierungsrat angefragt, warum das Steueramt plötzlich eine solch Startup-feindliche Praxis anwendet und ob dies auch in anderen Kanton den der Fall sei. Die Antwort des Zürcher Regierungsrates ist sehr ernüchternd:
Antwort RR 269/2015 Vertreibt der Kanton Zürich Startups?

Es scheint mir, dass der Zürcher Regierungsrat überhaupt nicht begriffen hat, was er mit dieser urplötzlich eingeführten Praxis anrichtet – er scheint von der Materie schlicht keine Ahnung zu haben. Besonders ärgert es mich auch, dass man offenbar bei anderen Kantonen angefragt hat wie deren Steuerämter die Startup-Bewertungen festlegen, aber die wollen das entweder geheimhalten oder haben ebenfalls keine Ahnung von Startups:

“Von den 25 anderen kantonalen Steuerverwaltungen haben 20 geantwortet. Von diesen 20 Steuerverwaltungen haben sich wiederum 11 grundsätzlich für die vom Kantonalen Steueramt Zürich vertretene Lösung, und damit für die Anwendung von Rz. 2 Abs. 5 Wegleitung auch bei Start-ups, ausgesprochen. Sechs kantonale Steuerverwaltungen vertreten demgegenüber eine Bewertung zum Substanzwert, wobei auch von Bedeutung war, dass die ersten Geschäftsjahre betroffen waren. Drei kantonale Steuerverwaltungen haben schliesslich ausweichend geantwortet. Zudem haben einzelne kantonale Steuerverwaltungen darauf hingewiesen, dass sie keine Erfahrungen mit konkreten Start-ups hätten. Im Übrigen hat ein Teil der kantonalen Steuerverwaltungen ausdrücklich verlangt, dass ihr Kanton nicht namentlich erwähnt werde; eine namentliche Auflistung der Kantone ist daher nicht möglich.”

Fazit:
Der Staat fördert einerseits Startup-Unternehmen und jeder Politiker sonnt sich gerne im Scheinwerferlicht, wenn ein Innovationspark eröffnet oder ein Startup-Preis vergeben wird. Die Schweiz verfügt über viele (“natürliche”) Standortnachteile für Startups (hohe Kosten, Wechselkurs, etc) – das nun aber die Politik weitere Nachteile dazu erfindet um kurzfristig ein bisschen Steuern einzunehmen und dafür die wirklich innovativen Gründer ins Ausland vertreibt ist nicht zu verstehen. Unter dem Strich habe ich den Eindruck, dass weder das Steueramt, noch die Politik wirklich verstehen, wie Startups und Venture-Capital funktionieren.

Unter den heute geltenden Voraussetzungen muss ich jungen Gründern heute empfehlen, ihre Idee nicht in der Schweiz und schon gar nicht in Zürich umzusetzen. Auch hinter Startup-Investment in CH-Unternehmen als Business-Angel, mache ich unter diesen Voraussetzungen ein grosses Fragezeichen. In Berlin sind die Rahmenbedingungen heute deutlich besser: tiefe Kosten, ein innovatives Umfeld und Zugang zu Kapital. Startups und Gründer werden vom Staat in vielfältiger Weise unterstützt und gefördert – nicht zuletzt bei Steuergesetzen.

Der Zürcher Regierungsrat wird das leider erst merken, wenn alle Grosskonzern-Jobs aus der Schweiz verschwunden sind und die innovativen Jungunternehmen, die diese Lücke dereinst schliessen könnten, längst frustriert ins Ausland abgewandert sind.