Das Schweizer Startup-Ökosystem ist in den letzten Jahren stark gewachsen – viele junge Leute sind bereit ihre Vision im Rahmen einer eigenen Firma zur Realität werden zu lassen und stürzen sich in das Abenteuer Startup. In den meisten Fällen geschieht dies mittels der Gründung einer Kapitalgesellschaft (AG oder GmbH) in welcher die Firmengründer massgeblich beteiligt sind und oftmals wird das Startup mit Hilfe von externen Investoren auf Wachstum getrimmt. Es werden die in der Schweiz so dringend benötigten Arbeitsplätze der Zukunft geschaffen und damit Personen- und Firmensteuern generiert. So weit so gut – und alle in Wirtschaft und Politik sind sich einig, dass Firmengründungen gefördert werden sollten, denn das ist die Zukunft.
Was geschieht nun aber, wenn eine Firmenidee scheitert und das Unternehmen ins Trudeln gerät? In der Regel versuchen dann die Firmengründer die Firma mittels Kostenreduktionen über Wasser zu halten – meistens wird auch beim eigenen Lohn gespart, oder schlicht und einfach über Monate kein Lohn ausbezahlt, um mit dem nächsten Pivot oder der nächsten Partnerschaft den Durchbruch zu schaffen.
Irgendwann geht es nicht mehr weiter, einem oder mehreren Gründern muss gekündigt werden und ist jetzt offiziell arbeitslos. Auf dem regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV), kommt dann aber oft der Schock:
Gründer haben in so einem Fall keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, dies obschon sie während zT. über Jahre brav 2,2% ihres Bruttolohnes in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben.
Begründet wird das von der ALV mit der “arbeitgeberähnlichen Stellung” des Antragsstellers. Ist also ein Gründer in seinem Unternehmen in der Geschäftsleitung, unterschriftsberechtigt, im Verwaltungsrat oder “massgeblich am Unternehmen beteiligt”, wird von der Arbeitlosenkasse keine Leistung ausbezahlt. Mehr dazu nachzulesen gibt es in der AVIG-Praxis (ab B17) oder auf der Website der ALV. Die Verweigerung der Versicherungs-Leistung wird vom RAV mit der grossen Missbrauchsgefahr begründet – einzige Möglichkeit Versicherungsleistungen zu erhalten ist der Konkurs der Firma und/oder der Rücktritt von sämtlichen Ämtern bei einer AG/Gmbh – was aber in der Praxis oft tricky ist und/oder sehr lange dauert.
Viele Startup-Gründer/innen zahlen also jahrelang Prämien in die ALV ein, haben aber keinen Anspruch auf Leistungen, da sie über eine Kapitalgesellschaft angestellt sind. Wären sie im steuerlichen Sinn Selbständigerwerbende, hätten sie zwar auch keine Versicherungsleistung, müssten aber keine Prämien zahlen.
Viele Startup-Förderer und selbst der Bundesrat fordern “mehr Mut zum Risiko” bei Startup-Gründern und dass das Scheitern mit einem Startup nicht mehr mit einem Stigma belegt werden sollte. Gleichzeitig diskrimiert man aber gescheiterte Unternehmer und behandelt sie auf Vorrat wie notorische Betrüger – zockt sie aber dann doch gerne jahrelang als Beitragszahler ab.
Ich bin der Meinung, dass das nicht zusammenpasst und hier dringend eine Gesetzes-, resp. Praxisänderung herbeigeführt werden muss. Klar kann die ALV nicht schwankende Auftragslagen eines KMU überbrücken, aber dass man gescheiterte Gründer pauschal des Betrugs bezichtigt, aber dennoch Prämien zahlen lässt geht nicht. Mindestens sollte eine Einzelfall-Prüfung eingeführt, oder Minimal-Leistungen in Relation zu den bezahlten Prämien ausgerichtet werden. Alles andere ist nicht nur in höchstem Masse unfair, sondern prügelt gescheiterte Unternehmer unnötig.