Startup-Steuer: Positive Signale aus der Finanzdirektion

foap-tunnel

Seit rund zwei Jahren hat die Finanzdirektion des Kantons Zürich Gründer und Frühinvestoren von Startups mit happigen Vermögenssteuer-Rechnungen verschreckt. Denn wider jeglicher Logik wurden Preise aus Finanzierungsrunden als “Verkehrswert” betrachtet und die Besitzer von Startup-Aktien in manchen Fällen mit horrenden Vermögenssteuern bestraft.

Mittlerweile wurde die Liste der Kantone, die den Sachverhalt genau gegenteilig wie Zürich handhaben immer länger und länger (siehe Bericht). In der Tat fand sich in einer Umfrage bei den verschiedenen Finanzdirektionen/Steuerämtern in der Schweiz nicht ein einziger Kanton, der die Zürcher Praxis übernimmt – der Kanton Zürich steht also schweizweit alleine da und ist als Startup-Standort sehr unattraktiv geworden.

So langsam scheinen nun auch Finanzdirektion und Steueramt in Zürich aufzuwachen. Nachdem die Zürcher Startup-Steuer von deren Exponenten bisher immer standhaft verteidigt wurde, scheint man nun offen für eine Kehrtwende. Eine Fachkommission mit Vertretern aus Finanzdirektion, Steuerverwaltung und der Wirtschaft wurde gebildet und man sucht nun aktiv einen Weg aus der Sackgasse, sprich die “Startup-Steuer” wieder abzuschaffen.

Wie man sich aber gut vorstellen kann, ist es mit dem guten Willen einer Regierung und Verwaltung alleine nicht getan. In der Praxis müssen Richtlinien überarbeitet werden und allfällig neue Regelungen sauber durchdacht und formuliert werden. Zudem muss man wohl auch entscheiden, was mit den bemitleidenswerten Startup-Shareholdern passiert, welche die letzten Jahre eine solche Steuerrechnung zahlen mussten oder momentan einen Rekurs am Laufen haben.

Insgesamt bin ich aber sehr positiv, dass Regierungsrat Ernst Stocker sein Versprechen “Startups sollen es in Zürich mindestens ebenso gut haben, wie im Rest der Schweiz”, doch noch einlöst. Ich bin guter Hoffnung, dass dieses Thema bis Ende Jahr erledigt ist und wir uns alle – Politik wie Startups – im 2017 wieder anderen Themen widmen können.

 

Steueramt vertreibt Startups ins Ausland

FullSizeRender

Die Schweiz ist steuerfreundlich, im internationalen Vergleich herrschen hier geradezu paradiesische Zustände mit tiefen Steuern und verständnisvollen Behörden, mit denen man auch mal diskutieren und eine individuelle, faire Steuerlösung finden kann. So die landläufige Meinung im In- und Ausland. Was in Einzelfällen vielleicht so ist, gilt nicht (mehr) für Startups resp. deren Gründer und Investoren.

Wie im Bericht der Handelszeitung, des Tagesanzeigers und Startuptickers kürzlich dargestellt, hat die Zürcher Steuerbehörde im 2015 still und leise eine neue Praxis bei der Bewertung von Startup-Aktien (Vermögenssteuer natürliche Personen) eingeführt, welche verheerende Konsequenzen für den Startup-Standort Zürich, resp. Schweiz hat.

 

Was hat sich geändert?
Bis anhin wurde der Wert von Firmenanteilen nach der Formel “2x Ertragswert (Gewinn) + 1 Substanzwert (Assets) geteilt durch 3” bemessen. Was bei den meisten Startups zu sehr überschaubaren Bewertungen und deshalb kaum relevanten Vermögenssteuern geführt hat. Seit 2015 hat das Steueramt des Kanton Zürich jedoch begonnen, die bei einer Kapitalrunde mit Venture-Capital zugrunde liegende Bewertung als steuerlicher  “Verkehrswert” heranzuziehen. Der Gründer soll nun also jährlich auf einem fiktiven Vermögen von x Millionen Steuern zahlen. Diese Vermögenssteuern können sich je nach Bewertung und fiktivem Vermögen auf mehrere Zehntausend Franken pro Jahr summieren. Einem Schweizer Hightech-Gründer hat das Steueramt kürzlich Vermögenssteuern in der Höhe von über Fr. 200’000 in Rechnung gestellt – zahlbar innert 30 Tagen!

Meines Erachtens macht das Steueramt hier folgende Fehlüberlegungen:

  • Die Bewertung bei einer Venture-Capital-Runde entspricht nicht dem tatsächlichen Wert der Firma, sondern reflektiert das Potential, das die Firma in den nächsten 3-5-7 Jahren hoffentlich realisieren wird
  • Die Venture-Bewertung ist an eine Vielzahl von Bedingungen geknüpft, welche den Wert erheblich relativieren. So sind meistens verschiedene Aktien-Kategorien im Spiel, wobei Gründer-Aktien über sehr wenige Rechte verfügen, die “Präferenz-Aktien” des Investors jedoch über viele mehr.
  • Diese Bewertung als “Verkehrswert” zu bezeichnen ist nur schon darum realitätsfremd, weil ja gerade nicht Aktien zu diesem Preis gehandelt wurden – es wurde via Erhöhung des Aktienkapitals Geld in die Firma investiert, zwischen den Aktionären floss kein Geld. Der Gründer kann in der Regel keine Aktien verkaufen und wenn doch (Secondaries), so zu einem vielfach tieferen Preis.

Im Endeffekt bleibt die Frage, woher ein Gründer das Geld nehmen soll um diese Vermögenssteuern auf fiktivem Vermögen zu zahlen? In der Realität wird eine Hightech-Gründer den Standort Zürich (und auch der Schweiz) in Zukunft meiden und seine Idee direkt in Berlin, London oder in den USA realisieren, wo deutlich bessere Rahmenbedingungen für Startups vorzufinden sind.

Die Politik:
Der Zürcher Kantonsrat Olivier Hofmann (FDP) hat kürzlich den ZH-Regierungsrat angefragt, warum das Steueramt plötzlich eine solch Startup-feindliche Praxis anwendet und ob dies auch in anderen Kanton den der Fall sei. Die Antwort des Zürcher Regierungsrates ist sehr ernüchternd:
Antwort RR 269/2015 Vertreibt der Kanton Zürich Startups?

Es scheint mir, dass der Zürcher Regierungsrat überhaupt nicht begriffen hat, was er mit dieser urplötzlich eingeführten Praxis anrichtet – er scheint von der Materie schlicht keine Ahnung zu haben. Besonders ärgert es mich auch, dass man offenbar bei anderen Kantonen angefragt hat wie deren Steuerämter die Startup-Bewertungen festlegen, aber die wollen das entweder geheimhalten oder haben ebenfalls keine Ahnung von Startups:

“Von den 25 anderen kantonalen Steuerverwaltungen haben 20 geantwortet. Von diesen 20 Steuerverwaltungen haben sich wiederum 11 grundsätzlich für die vom Kantonalen Steueramt Zürich vertretene Lösung, und damit für die Anwendung von Rz. 2 Abs. 5 Wegleitung auch bei Start-ups, ausgesprochen. Sechs kantonale Steuerverwaltungen vertreten demgegenüber eine Bewertung zum Substanzwert, wobei auch von Bedeutung war, dass die ersten Geschäftsjahre betroffen waren. Drei kantonale Steuerverwaltungen haben schliesslich ausweichend geantwortet. Zudem haben einzelne kantonale Steuerverwaltungen darauf hingewiesen, dass sie keine Erfahrungen mit konkreten Start-ups hätten. Im Übrigen hat ein Teil der kantonalen Steuerverwaltungen ausdrücklich verlangt, dass ihr Kanton nicht namentlich erwähnt werde; eine namentliche Auflistung der Kantone ist daher nicht möglich.”

Fazit:
Der Staat fördert einerseits Startup-Unternehmen und jeder Politiker sonnt sich gerne im Scheinwerferlicht, wenn ein Innovationspark eröffnet oder ein Startup-Preis vergeben wird. Die Schweiz verfügt über viele (“natürliche”) Standortnachteile für Startups (hohe Kosten, Wechselkurs, etc) – das nun aber die Politik weitere Nachteile dazu erfindet um kurzfristig ein bisschen Steuern einzunehmen und dafür die wirklich innovativen Gründer ins Ausland vertreibt ist nicht zu verstehen. Unter dem Strich habe ich den Eindruck, dass weder das Steueramt, noch die Politik wirklich verstehen, wie Startups und Venture-Capital funktionieren.

Unter den heute geltenden Voraussetzungen muss ich jungen Gründern heute empfehlen, ihre Idee nicht in der Schweiz und schon gar nicht in Zürich umzusetzen. Auch hinter Startup-Investment in CH-Unternehmen als Business-Angel, mache ich unter diesen Voraussetzungen ein grosses Fragezeichen. In Berlin sind die Rahmenbedingungen heute deutlich besser: tiefe Kosten, ein innovatives Umfeld und Zugang zu Kapital. Startups und Gründer werden vom Staat in vielfältiger Weise unterstützt und gefördert – nicht zuletzt bei Steuergesetzen.

Der Zürcher Regierungsrat wird das leider erst merken, wenn alle Grosskonzern-Jobs aus der Schweiz verschwunden sind und die innovativen Jungunternehmen, die diese Lücke dereinst schliessen könnten, längst frustriert ins Ausland abgewandert sind.